Die Aufgaben der Wasserrettung ­Liechtenstein sind vielfältig. Präsidentin Birgit Forrer erzählt im Interview mit der LIEWO von der Suche nach Personen und versteckten Gewässern.

Frau Forrer, ich habe mitbekommen, dass viele gar nicht wissen, dass Liechtenstein eine eigene Wasserrettung hat …
Birgit Forrer:
Das scheint sich tatsächlich in der Bevölkerung noch nicht herumgesprochen zu haben. Uns stellt man auch oft die Frage, wofür es in einem so kleinen Land überhaupt eine eigene Wasserrettung braucht.

Nun ja, immerhin liegt Liechtenstein am Rhein …
… und dieser darf nicht unterschätzt werden. Im Land gibt es ausserdem viel mehr Gewässer, als man vielleicht meint. Liechtenstein hat einige versteckte Gewässer, Auffangbecken, Weiher oder Rüfen, auf die man vielfach nur durch Zufall stösst.

Und Sie kennen alle Gewässer im Land?
Ich glaube, nicht alle, aber die meisten. Die Wasserrettung ist seit zwei Jahren damit beschäftigt, alle Gewässer im Land aufzulisten. Mittlerweile haben wir das Oberland abge­deckt und uns bis nach Schaan und Nendeln vorgearbeitet.

Nur das Oberland? Gibt es denn so viele Gewässer im Land?
Ja, das hat uns ebenfalls überrascht. Aber man muss bedenken, dass wir nicht jeden Tag unterwegs sind. Ausserdem liegen die Gewässer zum grossen Teil irgendwo versteckt in den Wäldern oder in unwegsamem Gelände und können nicht so einfach erreicht werden. Für uns geht es bei der Dokumentation nicht nur darum, zu wissen, wo es welche Gewässer gibt, sondern darum, zu wissen, wie wir diese am besten erreichen und welche Ausrüstung wir bei einem Einsatz vor Ort benötigen. Und das nimmt entsprechend Zeit in Anspruch.

Wie sehen die Einsätze der Wasserrettung aus?
Wir sind für den Schutz und die Bergung von Personen, Tieren und Sachen im und um Gewässer in Liechtenstein zuständig. Zu den Einsätzen der letzten Jahre zählen Personensuchen und -bergungen, die Suche nach Gegenständen, Tatwerkzeugen oder Diebesgut in verschiedenen Gewässern des Landes. Auch die Tier- und Fahrzeugbergungen im Alpenrhein und anderen Binnengewässern sowie die Sicherung bei Veranstaltungen rund um Gewässer zählen zu unseren Aufgaben.

Wie viele Einsätze hat die Wasserrettung im Jahr?
Ich würde sagen, mindestens einmal im Jahr. Aber das kann man so nicht sagen. Denn nicht jedes Mal, wenn wir aufgeboten werden, kommen wir auch zum Einsatz.

Wie meinen Sie das?
Wenn zum Beispiel, wie vor ein paar Jahren, bei einem Bootsunfall in Landquart eine oder mehrere Personen im Rhein abgetrieben werden, werden wir ebenfalls alarmiert und aufgeboten. Führt der Rhein viel Wasser, ist die Fliessgeschwindigkeit sehr hoch. Dann kann es mitunter sein, dass die Personen bereits zwei Stunden nach dem Unfall an Liechtenstein vorbeigetrieben sind. In jenem Fall in Landquart konnten die Personen aber bereits in Schiers und Maienfeld geborgen werden.

Wie geht die Wasserrettung in einem solchen Fall vor?
Wird eine Person abgetrieben, rechnen wir anhand der Fliessgeschwindigkeit des Wassers aus, wie weit sie abgetrieben sein könnte. Dort suchen wir. Dabei arbeiten wir mit der Schweizerischen Lebensrettungs-Gesellschaft SLRG zusammen.

Schwimmen Sie dann den Rhein entlang?
Nein, das ist nicht effektiv und wäre auch für uns zu gefährlich. Wir suchen an beiden Seiten des Flusses das Ufer und das Wasser ab. Erst wenn wir die abgetriebene Person oder den Gegenstand sichten, gehen wir ins Wasser.

Wie viele Personen sind dann im Einsatz?
Das kommt auf den entsprechenden Fall an. Wenn wir zum Beispiel eine Person von einer Sandbank retten müssen, brauchen wir nicht zehn Leute. Da reichen vier oder fünf.

Wie muss man sich eine solche Rettung vorstellen?
Mit unserer Nassausrüstung, Helm und einer Flussweste, die an einem Seil gesichert ist, gehen wir ins Wasser. Die Sicherung löst sich jedoch, wenn der Zug zu stark wird, da man sonst unter Wasser gezogen würde. Bei der Rettung gehen wir so ins Wasser, dass wir die Sandbank bestmöglich anschwimmen können. Die Wasserretter sichern die in Not ge­ratene Person und befördert diese mithilfe des Landteams ans Ufer. Zudem postieren wir flussabwärts zur Absicherung noch zwei mit Wurfsäcken ausgerüstete Posten. Aber zum Glück kommen solche Einsätze äusserst selten vor.

Und welche Einsätze kommen häufiger vor?
Mehrheitlich werden wir für die Suche von Personen oder Gegenständen in verschiedenene Gewässern des Landes aufgeboten. Aber auch die Sicherung bei Veranstaltungen um Gewässer ist eine unserer Hauptaufgaben, wie zum Beispiel beim LieMudRun im September. Dort werden wir für die Sicherheit der Teilnehmer des Rennens im und am Binnenkanal sorgen.

Gibt es einen Fall, der Ihnen besonders in Erinnerung geblieben ist?
Nicht im Besonderen. Personensuchen sind jedoch immer speziell. Man weiss nicht, was passiert ist, geht ins Wasser und wühlt sich durch einen halben Meter Schlamm. Man tastet und sucht und hofft dabei, nichts zu finden. Nicht weil man die Person nicht finden will. Aber man ist sich bewusst, dass man in einer solchen Situation nicht nach einem lebenden Menschen sucht …

Eine Wasserleiche zu finden, stelle ich mir nicht gerade ­prickelnd vor …
In so eine Situation bin ich bisher noch nicht geraten. Und ich muss zugeben, ich bin auch nicht der Typ Mensch, der eine Wasserleiche bergen könnte. Suchen ja, aber das Bergen müsste ich einem Kollegen überlassen, dem das weniger ausmacht. Wir haben zum Glück welche im Team, die das können.

Das Aufgabengebiet der Wasserrettung ist vielfältiger, als man denkt. Was muss man denn mitbringen, wenn man zur Wasserrettung möchte?
Einsatzbereitschaft und Teamgeist. Wir haben sowohl Taucher als auch Rettungsschwimmer im Team. Eine der beiden Ausbildungen sollte man idealerweise mitbringen oder Ambitionen, diese zu erwerben. Und eine gewisse Reife braucht es natürlich auch.

Gibt es bei der Wasserrettung auch stille Mitglieder?
Nein, wer dabei ist, kommt je nach Möglichkeit auch zu den Übungen und Einsätzen. Selbstverständlich ist es nicht immer möglich, jeden Termin wahrzunehmen. Aber unsere Mitglieder nehmen sowohl die Trainings als auch die Einsätze ernst.

Wie viele Mitglieder hat die Wasserrettung Liechtenstein derzeit?
Aktuell sind wir 13 Personen. Das sind nicht viele und selbstverständlich wäre es schön, ein grösseres Team zu haben. Aber wir haben zuverlässige Leute und das zählt dafür doppelt.

Wie sind Sie zur Wasserrettung gekommen?
Als ich 2009 meine Tauchausbildung abgeschlossen hatte, wurde ich durch den Austausch mit Tauchkollegen erstmals auf die Wasserrettung aufmerksam. Ich fand sie damals schon interessant, konnte mir allerdings noch nicht viel darunter vorstellen und schon gar nicht, dass ich sogar Teil davon werden könnte. Als ich 2011 angefragt wurde, ob ich nicht dazukommen möchte, musste ich allerdings nicht lange überlegen. Mittlerweile ist die Wasserrettung meine grosse Leidenschaft und es macht mich stolz, ein so gut eingespieltes und einsatzfreudiges Team an meiner Seite zu haben, dem es auch wichtig ist, die Bedeutung und Sinnhaftigkeit der Wasserrettung nach aussen zu vermitteln. (sms)